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signal - Überblick über Signale (Software-Interrupts)
Linux unterstützt sowohl nach POSIX zuverlässige Signale (im Folgenden: »Standard-Signale«) und POSIX-Echtzeit-Signale.
Jedes Signal hat eine aktuelle Zuordnung. Sie legt fest, wie sich der Prozess verhält, wenn er das Signal erhält.
Die Einträge in der »Aktion«-Spalte in den folgenden Tabellen legen die Standardzuordnung für jedes Signal fest:
Ein Prozess kann die Zuordnung eines Signals mit Hilfe von sigaction(2) oder signal(2) ändern. (Letzteres ist schlechter portierbar bei der Realisierung von Signal-Handlern; siehe signal(2) für Details.) Mit diesen Systemaufrufen kann ein Prozess eine der folgenden Verhaltensweisen bei Erhalt eines Signals festlegen: die Standardaktion ausführen, das Signal ignorieren oder das Signal mit einem Signal-Handler abfangen. Ein Signal-Handler ist eine vom Programmierer definierte Funktion. Sie wird automatisch aufgerufen, wenn das Signal eintrifft. (Standardmäßig wird der Signal-Handler auf dem normalen Prozess-Stack aufgerufen. Man kann es einrichten, dass der Signal-Handler einen alternativen Stack benutzt; vgl. sigaltstack(2) für eine Erörterung, wie das gemacht wird und wann es nützlich sein könnte).
Die Signalzuordnung ist ein prozessbezogenes Attribut; in einer Multithread-Anwendung ist die Zuordnung eines bestimmten Signales für alle Threads gleich.
Ein mittels fork(2) erstelltes Kind erbt eine Kopie der Signalzuordnungen seines Elternprozesses. Während eines execve(2) werden die Zuordnungen von verwalteten Signalen auf die Vorgabe zurückgesetzt; die Zuordnung ignorierter Signale werden unverändert gelassen.
Die folgenden Systemaufrufe und Bibliotheksfunktionen ermöglichen dem aufrufenden Programm den Versand eines Signals:
Die folgenden Systemaufrufe setzen die Ausführung des aufrufenden Prozesses oder Threads aus, bis ein Signal abgefangen wird (oder ein nicht abgefangenes Signal den Prozess beendet):
Anstatt ein Signal asynchron mit einem Signal-Handler abzufangen, kann ein Signal auch synchron akzeptiert werden. Das heißt, die Ausführung wird blockiert, bis das Signal gesendet wird. Dann liefert der Kernel Informationen über das Signal an den Aufrufenden. Es gibt zwei allgemeine Möglichkeiten, das zu tun:
Ein Signal kann blockiert werden. Das bedeutet, dass es erst dann gesendet wird, nachdem es (später/verzögert) freigegeben wurde. Zwischen dem Zeitpunkt seiner Erzeugung und dem Zeitpunkt seines Versands wird es anstehend (pending) genannt.
Jeder Thread in einem Prozess hat eine unabhängige Signalauswahl-Maske (signal mask). Sie legt den Satz von Signalen fest, den der Thread derzeit blockiert. Ein Thread kann seine Signalauswahl-Maske mit pthread_sigmask(3) manipulieren. In einer traditionellen Single-Threaded-Anwendung kann sigprocmask(2) verwendet werden, um die Signalmaske zu manipulieren.
Ein mittels fork(2) erstellter Kindprozess erbt eine Kopie der Signalauswahl-Maske des Elternprozesses; sie bleibt über einen Aufruf von execve(2) erhalten.
Ein Signal kann für einen Prozess als Ganzes oder für einen bestimmten Thread erzeugt werden (und damit anstehen). Ein Beispiel für den ersten Fall ist die Verwendung von kill(2). Beispiele für den zweiten Fall sind bestimmte Signale wie SIGSEGV und SIGFPE, die als Folge der Ausführung einer bestimmten Maschinensprachen-Anweisung erzeugt werden und somit threadgerichtet sind sowie Routinen wie pthread_kill(3), die Signale an einen bestimmten Thread senden. Ein an einen Prozess gerichtetes Signal kann an jeden Thread, der derzeit das Signal nicht blockiert hat, gesendet werden. Wenn mehr als einer der Threads das Signal nicht blockiert hat, wählt der Kernel einen beliebigen Thread, an den das Signal gesendet wird.
Ein Thread kann die aktuell für ihn anstehenden Signale mit sigpending(2) ermitteln. Das sind einerseits die für diesen Thread und andererseits die für seinen Prozess bestimmten Signale.
Ein mittels fork(2) erzeugter Kindprozess hat anfangs keine anstehenden Signale; anstehende Signale bleiben über execve(2) erhalten.
Linux unterstützt die unten aufgeführten Standard-Signale. Mehrere Signalnummern sind architekturabhängig, was in der »Wert«-Spalte angegeben wird. (Wo drei Werte angegeben sind, gilt der erste Wert in der Regel für Alpha und SPARC, der mittlere für x86, arm und die meisten anderen Architekturen und der letzte für MIPS. (Die Werte für PARISC sind nicht dargestellt; lesen Sie die Linux-Kernelquellen für die Signalnummerierung auf dieser Architektur.) Ein Bindestrich (-) bedeutet, dass ein Signal in der entsprechenden Architektur nicht vorhanden ist.
Zuerst die im ursprünglichen POSIX.1-1990-Standard beschriebenen Signale:
Signal | Wert | Aktion | Kommentar |
SIGHUP | 1 | Term | Verbindung am steuernden Terminal beendet |
(aufgehängt) oder der steuernde Prozess wurde beendet | |||
SIGINT | 2 | Term | Unterbrechung von der Tastatur |
SIGQUIT | 3 | Core | Abbruch von der Tastatur |
SIGILL | 4 | Core | ungültiger Befehl |
SIGABRT | 6 | Core | Abbruchsignal von abort(3) |
SIGFPE | 8 | Core | Fließkomma-Ausnahmefehler |
SIGKILL | 9 | Term | Kill-Signal |
SIGSEGV | 11 | Core | ungültige Speicherreferenz |
SIGPIPE | 13 | Term | defekte Pipe: Schreiben in eine Pipe ohne |
Leser; siehe pipe(7) | |||
SIGALRM | 14 | Term | Timersignal von alarm(2) |
SIGTERM | 15 | Term | Beendigungssignal (termination signal) |
SIGUSR1 | 30,10,16 | Term | benutzerdefiniertes Signal 1 |
SIGUSR2 | 31,12,17 | Term | benutzerdefiniertes Signal 2 |
SIGCHLD | 20,17,18 | Ign | Kindprozess angehalten oder beendet |
SIGCONT | 19,18,25 | Cont | fortsetzen, wenn angehalten |
SIGSTOP | 17,19,23 | Stop | Stop process |
SIGTSTP | 18,20,24 | Stop | Stop am Terminal eingegeben |
SIGTTIN | 21,21,26 | Stop | Terminal-Eingabe für Hintergrundprozess |
SIGTTOU | 22,22,27 | Stop | Terminal-Ausgabe für Hintergrundprozess |
Die Signale SIGKILL und SIGSTOP können nicht abgefangen, blockiert oder ignoriert werden.
Als nächstes die Signale, die nicht in POSIX.1-1990, aber in SUSv2 und POSIX.1-2001 beschrieben sind.
Signal | Wert | Aktion | Kommentar |
SIGBUS | 10,7,10 | Core | Bus-Fehler (Speicherzugriffsfehler) |
SIGPOLL | Term | abfragbares Ereignis (Sys V), | |
Synonym für SIGIO | |||
SIGPROF | 27,27,29 | Term | Profiling-Timer abgelaufen |
SIGSYS | 12,31,12 | Core | Ungültiger Systemaufruf (SVr4); |
siehe auch seccomp(2) | |||
SIGTRAP | 5 | Core | Trace-/Haltepunkt-Trap |
SIGURG | 16,23,21 | Ign | dringende Gegebenheit an Socket (4.2BSD) |
SIGVTALRM | 26,26,28 | Term | virtueller Wecker (4.2BSD) |
SIGXCPU | 24,24,30 | Core | CPU-Zeitbegrenzung überschritten (4.2BSD) |
siehe setrlimit(2) | |||
SIGXFSZ | 25,25,31 | Core | Dateigrößenbegrenzung überschritten (4.2BSD) |
siehe setrlimit(2) |
Bis einschließlich Linux 2.2 war das Standardverhalten für SIGSYS, SIGXCPU, SIGXFSZ und (auf anderen Architekturen als SPARC und MIPS) SIGBUS den Prozess (ohne einen Speicherauszug zu erzeugen) zu beenden. (Auf einigen anderen UNIX-Systemen ist die Standardaktion für SIGXCPUund SIGXFSZ, den Prozess ohne einen Speicherauszug zu beenden.) Linux 2.4 entspricht den Anforderungen von POSIX.1-2001 an diese Signale und beendet den Prozess mit einem Speicherauszug.
Es folgen diverse weitere Signale.
Signal | Wert | Aktion | Kommentar |
SIGIOT | 6 | Core | IOT-Trap; ein Synonym für SIGABRT |
SIGEMT | 7,-,7 | Term | Emulator-Trap |
SIGSTKFLT | -,16,- | Term | Stack-Fehler am Koprozessor (nicht verwendet) |
SIGIO | 23,29,22 | Term | E/A jetzt möglich (4.2BSD) |
SIGCLD | -,-,18 | Ign | ein Synonym für SIGCHLD |
SIGPWR | 29,30,19 | Term | Stromausfall (System V) |
SIGINFO | 29,-,- | ein Synonym für SIGPWR | |
SIGLOST | -,-,- | Term | Dateisperre verloren/aufgehoben (nicht verwandt) |
SIGWINCH | 28,28,20 | Ign | Änderung der Fenstergröße (4.3BSD, Sun) |
SIGUNUSED | -,31,- | Core | synonym mit SIGSYS |
(Signal 29 ist SIGINFO / SIGPWR auf einer Alpha-Maschine, aber SIGLOST auf einer Sparc.)
SIGEMT ist nicht in POSIX.1-2001 angegeben, erscheint aber trotzdem auf den meisten anderen UNIX-Systemen. Dort ist die Standardaktion in der Regel die Beendigung des Prozesses mit einem Speicherauszug.
SIGPWR (nicht in POSIX.1-2001 beschrieben) wird bei seinem Eintreten von diesen anderen UNIX-Systemen ignoriert.
SIGIO (nicht in POSIX.1-2001 beschrieben) wird standardmäßig auf verschiedenen anderen UNIX-Systemen ignoriert.
Wenn das Signal definiert ist, ist auf den meisten Architekturen SIGUNUSED synonym zu SIGSYS. Seit Glibc 2.26 ist SIGUNUSED auf keiner Architektur mehr definiert.
Beginnend mit Version 2.2 unterstützt Linux Echtzeit-Signale, wie sie ursprünglich in den POSIX.1b-Echtzeit-Erweiterungen definiert wurden (und jetzt in POSIX.1-2001 enthalten sind). Die Bereich der unterstützten Echtzeit-Signale wird von den Makros SIGRTMIN und SIGRTMAX definiert. POSIX.1-2001 verlangt, dass eine Umsetzung mindestens _POSIX_RTSIG_MAX (8) Echtzeit-Signale unterstützt.
Der Linux-Kernel unterstützt eine Reihe von 33 verschiedenen Echtzeit-Signalen, nummeriert von 32 bis 64. Doch die Glibc-Umsetzung der POSIX-Threads verwendet intern zwei (für NPTL) oder drei (für LinuxThreads) Echtzeit-Signale (siehe pthreads (7)) und stellt den Wert von SIGRTMIN passend (auf 34 oder 35 ein). Da die Zahl der verfügbaren Echtzeit-Signale je nach Glibc-Threading-Implementierung variiert und diese Variation (entsprechend dem verfügbaren Kernel und der Glibc) zur Laufzeit auftreten kann und tatsächlich die verfügbaren Echtzeitsignale je nach UNIX-System variieren, sollten Programme niemals mit eincodierten Zahlen auf Echtzeit-Signale verweisen. Stattdessen sollte auf Echtzeit-Signale immer mit der Notation SIGRTMIN+n verwiesen werden und zur Laufzeit überprüft werden, ob (SIGRTMIN+n) SIGRTMAX nicht übersteigt.
Im Gegensatz zu Standard-Signalen haben Echtzeit-Signale keine vordefinierten Bedeutungen: der gesamte Satz von Echtzeit-Signalen kann für anwendungsspezifische Zwecke genutzt werden.
Die Standardaktion für ein nicht abgefangenes Echtzeit-Signal ist der Abbruch des Prozesses.
Echtzeit-Signale zeichnen sich durch folgende Merkmale aus:
Wenn sowohl Standard- als auch Echtzeit-Signale für einen Prozess anstehen, macht POSIX keine Angabe dazu, welche Signale zuerst zugestellt werden. Linux gibt wie auch viele andere Implementierungen den Standard-Signalen den Vorzug.
Nach POSIX sollte eine Umsetzung mindestens _POSIX_SIGQUEUE_MAX (32) Echtzeit-Signale in der Warteschlange eines Prozesses ermöglichen. Allerdings macht Linux das anders. Im Kernel bis einschließlich 2.6.7 legt Linux eine systemweite Obergrenze für die Anzahl wartender Echtzeit-Signale für alle Prozesse fest. Diese Grenze kann eingesehen und (mit entsprechenden Rechten) durch die Datei /proc/sys/kernel/rtsig-max geändert werden. Aus der verwandten Datei /proc/sys/kernel/rtsig-nr kann die Anzahl der aktuell anstehenden Signale ermittelt werden. In Linux 2.6.8 wurden diese /proc-Schnittstellen durch die Ressource RLIMIT_SIGPENDING, die einen benutzerspezifischen Grenzwert für anstehende Signale in der Warteschlange festlegt, ersetzt (siehe setrlimit(2)).
Die Ergänzung um Echtzeitsignale erforderte die Verbreiterung der Signalmengenstruktur (sigset_t) von 32 auf 64 Bit. Konsequenterweise wurden viele Systemaufrufe durch neue Systemaufrufe abgelöst, die die größeren Signalmengen unterstützten. Die alten und neuen Systemaufrufe sind wie folgt:
Linux 2.0 und älter | Linux 2.2 und neuer |
sigaction(2) | rt_sigaction(2) |
sigpending(2) | rt_sigpending(2) |
sigprocmask(2) | rt_sigprocmask(2) |
sigreturn(2) | rt_sigreturn(2) |
sigsuspend(2) | rt_sigsuspend(2) |
sigtimedwait(2) | rt_sigtimedwait(2) |
Wenn ein Signal-Handler aufgerufen wird, während ein Systemaufruf oder Bibliotheksfunktionsaufruf blockiert ist, wird entweder:
Welche dieser beiden Verhaltensweisen eintritt, hängt von der Schnittstelle und der Verwendung oder Nichtverwendung des Schalters SA_RESTART ab (siehe sigaction(2)). Die Einzelheiten unterscheiden sich zwischen UNIX-Systemen. Im Folgenden werden die Linux-Spezifika erörtert.
Wenn ein blockierter Aufruf einer der folgenden Schnittstellen von einem Signal-Handler unterbrochen wird, wird der Aufruf nach der Rückkehr aus dem Signal-Handler erneut gestartet, wenn der Schalter SA_RESTART verwendet wurde; anderenfalls schlägt der Aufruf mit dem Fehler EINTR fehl:
Folgende Schnittstellen werden nach einer Unterbrechung durch einen Signal-Handler, unabhängig von der Verwendung von SA_RESTART nie erneut gestartet; sie schlagen immer mit dem Fehler EINTR fehl:
Die Funktion sleep(3) wird ebenfalls niemals neu gestartet, wenn sie durch einen Handler unterbrochen wurde, wird aber erfolgreich verlassen: Der Rückgabewert ist die Zeit, die noch geschlafen werden sollte.
Auf Linux können sogar ohne Signal-Handler bestimmte sperrende Systemaufrufe mit dem Fehler EINTR fehlschlagen, nachdem der Prozess von einem der Stop-Signale gestoppt wird und dann mittels SIGCONT wieder fortgesetzt. Dieses Verhalten ist nicht durch POSIX.1 sanktioniert und tritt nicht auf anderen Systemen auf.
Die folgenden Linux-Schnittstellen zeigen dieses Verhalten:
POSIX.1, mit den beschriebenen Ausnahmen
Für eine Diskussion asynchron-Signal-sicherer Funktionen, siehe signal-safety(7).
kill(1), getrlimit(2), kill(2), restart_syscall(2), rt_sigqueueinfo(2), setitimer(2), setrlimit(2), sgetmask(2), sigaction(2), sigaltstack(2), signal(2), signalfd(2), sigpending(2), sigprocmask(2), sigreturn(2), sigsuspend(2), sigwaitinfo(2), abort(3), bsd_signal(3), killpg(3), longjmp(3), pthread_sigqueue(3), raise(3), sigqueue(3), sigset(3), sigsetops(3), sigvec(3), sigwait(3), strsignal(3), sysv_signal(3), core(5), proc(5), nptl(7), pthreads(7), sigevent(7)
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15. September 2017 | Linux |